IV. Kultursommer Text mitderstadtreden
Grundlage für das Gespräch mit Arne Forke war dieser Text:
Nachdem im Winter und Frühjahr alle Live-Veranstaltungen ausgefallen sind, bietet sich die Möglichkeit, im Sommer auf den Freiflächen der Stadt Wien Musik, Theater und Performance gesundheitlich unbedenklich zu erleben (für das Publikum), bzw. zu guten Gagen aufzutreten und endlich wieder live zu spielen (für die Künstler*innen). Für die Wiener Stadtregierung gleichzeitig eine gute Gelegenheit, schön die Werbetrommel zu rühren und das bürger- und kulturfreundliche Image zu pflegen.
Der Kultursommer geht 2021 in die 2. Ausgabe, abermals nicht von langer Hand geplant und ohne eine Evaluierung des Vorjahres-Festivals, sondern vom Bürgermeisterbüro anberaumt und im Lauf weniger Monate programmiert: als ein Festival, das nicht mit den Aktiven des Wiener Kulturlebens gemeinsam geplant und durchgeführt wird, sondern von der Stadt mithilfe eines bewährten Schemas (Donauinselfest, Popfest etc) auf die Eventbühnen gestellt wird.
Wenn in Corona-Zeiten mit mehreren Millionen Euro ein Festival mit dem Wort „Kultur“ im Namen programmiert wird, dann sollte dieses Festival nicht nur der Unterhaltung der Wiener Bevölkerung und der Eigenwerbung der Stadtregierung dienen, sondern realisieren was es verspricht: eine Darstellung, was in Wien so los ist mit der „Kultur“.
Veronica Kaup-Hasler hat gezeigt, dass sie an Gesprächen mit den Wiener Kulturschaffenden interessiert ist. In zwei Symposien wurden Bedürfnisse und Missstände zur Sprache gebracht und dringend notwendige Maßnahmen für die Zukunft definiert. Diese Gesprächsbereitschaft hat sich leider nicht fortgesetzt, als es um den Kultursommer ging.
Was tun die Wiener Künstler*innen und Kulturschaffenden? Was brauchen sie im Sommer 2021, nachdem sie über ein Jahr lang nicht auftreten konnten? Was tun sie ohne Zukunftsperspektive und ohne Möglichkeit, die Arbeiten, die sie unter Corona-Bedingungen geschaffen haben, zu zeigen?
Es reicht nicht, in der gegenwärtigen Situation einmal mehr ein Großevent aus dem Boden zu stampfen.
Es reicht nicht, der Vielfalt und Komplexität der Wiener Szenen ein Veranstaltungskonzept überzustülpen, das einem sehr eng gefassten Bild entspricht, was Kunst – Musik, Theater, Performance – ist und kann, und Bedingungen zu stellen, die den Zugang zum Kultursommer für viele Projekte unmöglich machen: kleine Ensembles, wenig Zeit- und Personalaufwand, möglichst einheitliches Setup.
Es reicht auch nicht, EUR 300/500 für einen kurzen/langen Auftritt zu bezahlen, wenn wichtige Grundvoraussetzungen für eine gelungene Vorstellung nicht gegeben sind: professioneller Soundcheck, ein sicherer Backstage-Bereich, genügend Zeit zum Auf- und Abbau etc.
Wir sind überzeugt davon, dass es möglich ist, den eingeschlagenen Weg der Kommunikation zwischen Stadt und Künstler*innen fortzusetzen und auf andere Bereiche der Kulturpolitik auszuweiten. Es ist uns klar, dass unsere Wünsche, Vorstellungen, Forderungen viel zu spät kommen, dass man sie in die Planung nicht mehr einbeziehen kann. Aber das Problem ist ja: 1. wir wurden nicht gefragt, und 2. wir haben es leider zu spät gemerkt, dass da wieder ein Kultursommer auf uns zukommt. Nun werden wir also vor vollendete Tatsachen gestellt und sehen dem abgefahrenen Zug von hinten zu.
Was wollen wir?
- Vor allem wollen wir gefragt werden.
Wir als Kulturschaffende brauchen maßgeschneiderte Förderung - denn nur Förderungen, die auf die Bedürfnisse der zu Fördernden abgestimmt sind, sind tatsächlich Förderungen, die ankommen. Alles andere sind Ausgaben, mit der die Stadt einkauft und lenkt, aber nicht fördert. Wir wollen arbeiten, wir wissen, was wir tun und wie wir es in Szene setzen können. Wir gehen mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt und sehen und hören dort anderes als die Eventplaner*innen der Stadt. Eine „Eventbühne“ ist nicht immer die beste Lösung, weil innovative Formate oft nach einer differenzierteren, spezifischen Art der Präsentation verlangen.
- Kooperationen mit Orten / Räumen der freien Szene,
die über Ausssenräume (Freiflächen) Innenhöfe oder Schanigärten verfügen oder angrenzen.
Vorteile:
- der Innenraum ist als Backstage für Künstler*innen nutzbar
- ein sicherer Lageraum für teure Instrumente / Technik vorhanden
- vorhandene personelle und technische Infrastruktur wird genutzt und unterstützt
- professionelles Know-How im Kulturbereich wird erhalten
- Kooperationen mit Kollektiven/Reihen/Veranstalter*innen
Organisationsstrukturen und Netzwerke sind zu nutzen. Festivals, die Corona-bedingt ausfallen mussten bzw. wieder in Gefahr sind, könnte man als Festival im Festival beim Kultursommer mitveranstalten, ungespielte Projekte im Sommer nachholen. Doppelförderungen sind kein Argument. Das lässt sich regeln, wenn man nur will; man kann differenzieren, ob jemand gefördert wurde oder nicht.
- gezielte Auswahl der Orte
ruhige Orte ermöglichen Veranstaltungen mit geringer Lautstärke, das hat viele Vorteile:
- dadurch können ohne teure technische Aufbauten auch große Flächen bespielt werden
- weniger Anrainerprobleme
- flexibe Nutzungsmöglichkeiten für alternative Formate (—> performative Arbeiten, Soundart)
zB Schaufensterausstellungen, Funkkopfhörerkonzerte, Soundinstallationen und vieles mehr. Experimentelle Projekte, die die vom Kultursommer propagierte Niederschwelligkeit einmal nicht als Vereinfachung der künstlerischen Mittel, sondern als Einladung zu Abenteuer und Risiko umsetzen und die Wahrnehmung der Realität bereichern und erweitern.
für Performances im Freien (zB in Parks, auf Plätzen, in verkehrsberuhigte Zonen) sollten von der Stadt bereitwillig erteilt werden. Es gibt viel Potenzial und Ideen zu ungewöhnlichen Aufführungsorten.
- Ganz normale Arbeitsbedingungen, wie sie bei professionellen Konzerten/Festivals üblich sind
das bedeutet:
- längere Slots, genügend Zeit für Soundcheck und Auf-und Abbau
- geschützter Backstage-Bereich
- Verkaufsstände für Tonträger und andere Produkte ermöglichen
Dies zeugt von Respekt und Wertschätzung gegenüber den Künstler*innen und ihrer Arbeit.
Am 4.3. trifft sich eine Delegation von mitderstadtreden gemeinsam mit der Wiener Perspektive mit Arne Forke, um mit ihm darüber zu reden, wie wir diese Vorstellungen in den Kultursommer integrieren können.
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